„Es gibt Hemden, für die ich eine Woche brauche“
Du kennst das "Tourleben" ja eigentlich schon von Kindesbeinen an.
Ich bin in Bayern geboren, in Texas aufgewachsen - und wohne jetzt auf der Kiefernstraße in Düsseldorf. Während meiner Jugendzeit sind wir andauernd umgezogen, weil mein Vater bei der Bundeswehr ist, wir waren ein Jahr hier, ein Jahr dort. Die längste Zeit am Stück habe ich in Soest verbracht, es war schrecklich. Als meine Eltern dann wieder nach Amerika gegangen sind, habe ich mich mit sechzehneinhalb Jahren abgesetzt und bin erst mal auf einem Hippie-Bauernhof gelandet.
Wann bist Du ins Rheinland übergesiedelt?
Mitte der 80er Jahre bin ich nach Düsseldorf gezogen, weil ich dachte, dass es mal an der Zeit wäre, einen Job zu erlernen. Ich habe dann eine Ausbildung als Erzieherin gemacht und darüber hinaus die Kiefernstraße für mich entdeckt. Die war in den 80ern die Düsseldorfer Ausgabe der Hafenstraße, ein großer Spielplatz. Ich wohne noch heute in einem der ehemals besetzten Häuser, weil wir irgendwann Mietverträge bekommen haben. Die Stadt meinte damals wohl, es wäre besser, diese Verrückten in einer Straße zu lassen, als sie über die ganze Stadt zu verteilen (lacht).
Die Stadt meinte damals wohl, es wäre besser, diese Verrückten in einer Straße zu lassen, als sie über die ganze Stadt zu verteilen (lacht).
Was hat Dir an der Kiefernstraße besonders gefallen?
Ich war dort nie besonders politisch unterwegs. Was mir nicht gefallen hat, dagegen habe ich mitgemacht, ansonsten habe ich es halt bleiben lassen. Was es ausgemacht hat? Ich konnte auf dieser Straße verrückt sein, da waren lauter Pippi Langstrümpfe und Huckleberry Finns. Die Kinder haben auf der Straße gespielt. Eigentlich herrscht auf der Kiefernstraße bis heute der Ausnahmezustand. Ich bin auch immer gerne ins AK-47 gegangen, um mir unbekannte Punk-Bands anzuschauen. Ich kann mich grundsätzlich schlecht an Bandnamen erinnern, aber einige von denen habe ich hinterher im Fernsehen wiedergesehen.
Was hast Du nach Deiner Ausbildung beruflich gemacht?
Ich habe mich in der Tanz- und Theater-Szene getummelt, weil ich damals schon Künstlerin werden wollte. Und weil ich keinen Chef ertragen kann, der mir ständig sagt, was ich zu tun habe, musste ich immer alles allein machen. Ich habe mein Geld mit wirklich obskuren Ideen verdient, zum Beispiel als die Techno-Szene mit ihren grellen Klamotten aufkam. Da habe ich einfach alles, was an Stoffen auf dem Dachboden herumlag, zusammengeschustert und sehr erfolgreich auf dem Trödelmarkt verkauft. Ich war zu der Zeit der bunteste Stand.
In dieser Zeit hast Du auch zum ersten Mal mit den Hosen zusammengearbeitet?
Die Hosen wollten damals für ihre Tour Batik-T-Shirts haben, die gab es aber nur in England. Da bin ich nach Hause gefahren, habe mal versuchsweise ein T-Shirt in den Topf geworfen und war plötzlich die "Batik-Firma".
Die Hosen wollten damals für ihre Tour Batik-T-Shirts haben, die gab es aber nur in England. Da bin ich nach Hause gefahren, habe mal versuchsweise ein T-Shirt in den Topf geworfen und war plötzlich die "Batik-Firma". Ich weiß nicht, wie viel tausend Batik-T-Shirts ich danach hergestellt habe, meine ganze Bude war auf jeden Fall voll damit. Der Kontakt zu den Hosen war zustande gekommen, weil ich vorher schon deren Merchandise-Pakete gepackt hatte, um mir Geld für eine Reise nach Indonesien zu verdienen. 1987 bin ich dann auch zum ersten Mal mit auf Tour gefahren, um T-Shirts zu verkaufen. Ich bin zusammen mit der heutigen Frau von Kuddel immer im VW-Bully hinter den Jungs hergezockelt.
Wie kam es dazu, dass Du Dich dann auch um die Bandoutfits gekümmert hast?
Andi hat bis Ende der 80er Jahre noch selbst Handsiebdruck gemacht und T-Shirts hergestellt. Er hatte dann aber irgendwann keine Zeit mehr und hat mir gezeigt, wie das geht. Ich habe dann auch die Klamotten dazu eingekauft, die Ideen für das Material kamen aber weiterhin von ihm. Die einzelnen Bandmitglieder haben sich dann Sprüche ausgedacht oder Sterne angeschleppt, die sie darauf gedruckt haben wollten. Erst seit der letzten Tour liegt eigentlich alles in meiner Hand, weil ich die Band mittlerweile einfach schon ganz gut kenne und einschätzen kann, was jedem Einzelnen gefällt. Ich würde sagen, dass ich den Stil, den Andi vorgelegt hat, zu meinem eigenen gemacht und ihn weiterentwickelt habe.
Ich würde sagen, dass ich den Stil, den Andi vorgelegt hat, zu meinem eigenen gemacht und ihn weiterentwickelt habe.
Wie hast Du die Klamotten, die die Jungs auch auf der "Auswärtsspiel"-Tour getragen haben, hergestellt?
Ich nähe die Klamotten nur selten selbst. Die Grundlage ist meistens ein fertiges Hemd, das ich komplett auseinandernehme und neu zusammensetze. Ich brenne auch schon mal Hemden an. Zur aktuellen Tour hatte ich komplett freie Hand und habe ein Bandmitglied nach dem anderen abgehakt. Ich habe bestimmt zweieinhalb Monate für 50 Hemden gebraucht, dazu kamen die Hosen und T-Shirts. Es gibt Hemden, für die ich eine Woche brauche, wenn ich die dreimal färbe, zehnmal mit Wachs drübergehe und fünfmal mit dem Pinsel. Hinterher habe ich der Band alles vorbeigebracht, ohne irgendwas zu kennzeichnen. Es hat sich aber jeder genau das ausgesucht, was auch für ihn bestimmt war. Und das war auch eine schöne Bestätigung für meine Arbeit.
Es hat sich aber jeder genau das ausgesucht, was auch für ihn bestimmt war. Und das war auch eine schöne Bestätigung für meine Arbeit.
Welche Stichworte fallen Dir zu den aktuellen Hosen in modischer Hinsicht ein?
Andi: Dressman, kann eigentlich alles tragen, besonders hochgeschlossene Hemden im englischen Stil, der einfachste Fall in der Band, weil er immer genau weiß, was er will. Campi: Prinzessin und Erbse gleichzeitig, muss sich wie ich in seinen Klamotten einfach wohlfühlen, was man halt nicht immer genau begründen kann, schwierig, aber hat auch geklappt. Breiti: "Mach ma - Nee, so nich - kannste anders!" Vom: Der klassische Punk-Rocker - mit Gesichtscreme. Kuddel: Western-Landcowboy-Elvis-Typ
Wie empfindest Du das Tourleben heute?
Ich schätze es sehr, dass einem innerhalb der Crew auch mal schlechte Laune zugestanden wird. Es ist insgesamt alles eine sehr ehrliche Sache auf Tour, im Büro oder in einem normalen Beruf müsste man sich wahrscheinlich in einem solchen Moment zusammenreißen. Ich gehe heute immer noch auf Tour, obwohl ich es wohl nicht mehr nötig hätte, weil vom Herzen und vom Menschlichen bei den Hosen alles stimmt. Sehr gut gefallen hat mir auch mal eine Tour mit den Einstürzenden Neubauten - vom Geist her. Mit denen war ich 1993 auf der "Tabula Rasa"-Tour durch ganz Europa. Und die haben mir noch mal ganz neue Welten eröffnet, neue Ideen vom Leben.
Und die haben mir noch mal ganz neue Welten eröffnet, neue Ideen vom Leben.
Hat Dich diese Erfahrung auch künstlerisch beeinflusst?
Ich bin noch einmal der alten Tanzgeschichte nachgegangen. Ich dachte mir, wenn der Blixa Bargeld schräge Texte spricht und ein anderer dazu schräge Musik macht, könnte ich mich dazu vielleicht schräg bewegen. Ich habe dann relativ spät noch eine Tanzausbildung angefangen, hatte aber schon ein Bühnenstück im Kopf, das ich umsetzen wollte. Zwei Monate später stand ich dann wirklich in meinem eigenen Stück auf der Bühne, habe es nur ein einziges Mal aufgeführt und damit war es dann auch gut. Zu der Zeit habe ich mir meine Tanzprojekte ausschließlich mit dem Geld finanziert, das ich bei den Hosen verdient habe.
Welche Projekte haben Dich sonst noch neben dem Tanzen interessiert?
Es ist in meinem Leben ständig etwas Neues passiert. Mit Film- und Fernsehleuten, die auf meiner Straße wohnten, habe ich zusammengearbeitet, Ausstattung für Kinofilme und Werbespots gemacht. Das Kulturbüro Kiefernstraße hat Kunstausstellungen veranstaltet, ich habe bei einer Kunstaktion in einem ehemaligen Schwimmbad in Düsseldorf mitgemacht oder auch mal in Indonesien Maskentanz betrieben. Sehr viel zu verdanken habe ich dem Manager der Hosen, Jochen Hülder, ohne den ich manches Projekt nicht hätte realisieren können. In den letzten Jahren habe ich auch im Malkasten und mk-2 an der Gestaltung mitgewirkt.
Wie sieht Dein typischer Arbeitstag auf Tour mit den Hosen aus?
Mehr zu tun habe ich an Tagen, wenn wir in großen Hallen wie in Stuttgart, Köln oder Dortmund spielen, weil ich mich dann um drei Verkaufsstände kümmern muss. Das Personal hinter dem Merchandisestand sind bei uns übrigens immer Freunde von Freunden von Freunden. Damit wollen wir uns von den üblichen Merchandisefirmen abheben, bei denen sich die Mitarbeiter für jeden fehlenden Cent rechtfertigen müssen. Bei uns kriegen die so viel Vertrauen, dass die gar nicht bescheißen wollen (lacht). Wenn es ein Konzert in einer 700er-Halle gibt, mache ich auch mal wieder alles alleine, nehme meinen Karton mit und verkaufe den Kram selbst.
Wie ist die Reaktion auf die Fan-Artikel?
Es gibt immer mal jemand, der sagt, etwas wäre zu teuer. Die Hosen liegen aber sicherlich in einem Bereich, der klar unter vergleichbaren Bands liegt. Probleme gibt es natürlich mit Betrunkenen, die gleichzeitig das T-Shirt anziehen, Geld rausholen und ihr Bier festhalten wollen (lacht). Es geht auf Tour ja nur um Artikel, die man auch vor Ort anziehen kann: T-Shirts, Caps oder auch mal ein Zippo-Feuerzeug. Den Adler als Motiv finde ich Kult, auch der Totenkopf ist nicht so schlecht. Wenn es nach mir ginge, würde ich gerne irgendwann noch mal das alte T-Shirt mit der Aufschrift "Ficken - Bumsen - Blasen" dabei haben.
Wenn es nach mir ginge, würde ich gerne irgendwann noch mal das alte T-Shirt mit der Aufschrift "Ficken - Bumsen - Blasen" dabei haben.
Welche Projekte willst Du in Zukunft angehen?
Ich denke darüber nach, mich im nächsten Jahr mal auf eine Sache zu konzentrieren. Wenn sich jemand bei mir meldet, weil er zehn Hemden haben will, würde ich das wohl auch gerne machen. Ich kann es mir aber nicht vorstellen, eine richtige Firma dafür aufzumachen. Ich würde auch kein Hemd zweimal herstellen. Ich habe auf Tour schon Kopien von meinen Hemden gesehen und wusste nicht ob ich das jetzt gut oder schlecht finden sollte. Ich hätte ansonsten gerne eine Hütte in Österreich, um dort meine anderen bekloppten Objekte herzustellen. Es ist mir dabei immer wichtig, dass es den Leuten gefällt, ob es nun etwas anzuziehen oder etwas zum Hinstellen ist. Ich mache Gebrauchsgegenstände.