Er verrät, wer immer als Erster im Studio war und als Letzter ging, welchem Bandmitglied er seine angepassten Ohrenstöpsel zu verdanken hat und sagt, welches der euphorischste Moment in den drei Monaten war.

Wie hast Du die Toten Hosen kennen gelernt?

Vincent mit Buddel und Blind, 2006

Wir hatten irgendwann Anfang 2006 Kontakt zu Blind, weil sie uns als extrem gute Live-Band aufgefallen waren. Hin und wieder bieten wir unbekannten Bands an, dass wir mit ihren Songs arbeiten, damit sie Plattenfirmen ansprechen können. Ich hatte mich also damals mit denen verabredet, zwei Wochen lang in unserem Studio Demos aufzunehmen. Dann riefen sie mich plötzlich an, ob ich etwas dagegen hätte, wenn Kuddel mitkommen würde. Kuddel hatte gerade Zeit, weil die Hosen in der Bandpause waren. Da kam er dann einfach für drei Tage mit ins Studio und wir haben zusammen an den Songs gearbeitet. Wenn ich es richtig gehört habe, hat er hinterher seinen Bandkollegen vorgeschlagen: Lasst uns dort auch mal ein paar Songs aufnehmen!

Du bist 34 Jahre alt , Produzent und betreibst zusammen mit Jörg Umbreit die Principal Studios. Wie bist Du zur Musik gekommen?

Mit sechs Jahren wurde ich von meinen Eltern ganz klassisch zum Klavierunterricht geschickt – und bin da tatsächlich auch fleißig hingegangen.

Mit sechs Jahren wurde ich von meinen Eltern ganz klassisch zum Klavierunterricht geschickt – und bin da tatsächlich auch fleißig hingegangen. Meine erste Band mit Kumpels hatte ich mit 14, die zweite mit 16 oder 17. Zudem gab es parallel noch ein Spaßprojekt, bei dem Tom Gaebel, der heute recht erfolgreich Swing-Stücke macht, als Sänger dabei war. Für den habe ich zuletzt auch eine Platte produziert. Momentan spiele ich nur noch Keyboard in einer Münsteraner Deutschrock-Pop-Band: Die Zwillinge und die Blechgang. Es ist für mich wichtig, auch mal wieder selbst live unterwegs zu sein, um den Bezug zum Musikmachen nicht zu verlieren.

Im Principal Studio mit Vincent Sorg, 2017

Foto Carla Meurer

Erst Klavier, dann Keyboard – was fehlt einem dann noch an Qualifiktion, um Produzent zu werden

Ich habe den klassischen Weg durchlaufen, vom Kaffeekochen zum Produzenten (lacht). Ich war zwei Jahre lang Assistent in einem Studio und habe in der Zeit alle niederen Tätigkeiten ausgeführt: Mikrophonieren, Aufräumen, Leute zum Bahnhof bringen und tatsächlich auch Kaffeekochen. Irgendwann bekommt man dann erste Aufträge von unkritischen Kunden zugeschanzt, zum Beispiel von unbekannten Bands, die man selbst irgendwie kennt. Meine erste eigene Produktion war 1998 lustigerweise ein Demo der Donots. Mit diesem Demo haben die hinterher ihren ersten Plattendeal an Land gezogen.

Wo hast Du Deine Lehrjahre absolviert?

Ich war tatsächlich immer schon hier in den Principal Studios in Senden, nicht weit von Münster. Das erste Praktikum, direkt nach dem Abitur, dauerte sechs Monate. Und ich bin dann fast lückenlos kleben geblieben, habe zwischendurch nur ein bisschen für die Eltern studiert: zwei Semester Jura – und ein Semester Musikwissenschaften. Leider habe ich es nicht geschafft, auch nur zu einer Vorlesung zu gehen (lacht). Ich habe in meiner Uni-Zeit lediglich einen Schein in Jura gemacht, in Kriminologie. Zu mehr hat es nicht gereicht… Es sind halt immer mehr Bands dazu gekommen und man hat sich langsam einen Namen gemacht.

Wie sind die Principal Studios heute aufgestellt?

Ich betreibe das Studio seit einigen Jahren zusammen mit Jörg Umbreit, der ein bisschen älter ist als ich und die Principal Studios 1988 gegründet hat. Wir haben zuerst ganz normal zusammengearbeitet; irgendwann bin ich dann als sein Partner eingestiegen. In dieser Zeit haben wir vor allem viele klassische deutsche Metal-Bands da gehabt, von Gravedigger über Rage bis Kreator. Irgendwann haben wir uns aber auf das Mischen spezialisiert. Wir wollten weg vom deutschen Sound, den wir wenig kreativ fanden, hin zu einem internationaleren. Über einen Mix-Auftrag sind wir dann zum Beispiel auch an In Extremo gekommen. Später haben wir bei denen die Produktion u.a. für die Erfolgsplatte „Sängerkrieg“ übernommen.

Die Hosen haben von der ruhigen Umgebung geschwärmt. Wie darf man sich das Umfeld bei Euch vorstellen?

Die Principal Studios sind eigentlich ein alter westfälischer Bauernhof, rundherum gibt es nur plattes Münsterländer Land. Jörg Umbreit hat den Bauernhof damals zum professionellen Tonstudio ausgebaut. In den letzten Jahren haben wir auch noch zusammen öfter umgebaut und besonderen Wert auf den Wohlfühlfaktor gelegt. Die neueste Technik hatten wir eh immer da; jetzt haben wir auch einen großen Aufenthaltsraum mit Kino, Billardtisch und dem ganzen Schnickschnack. Viele Bands kommen längst gezielt wegen dieses besonderen Landhaus-Flairs. Die Principal Studios sind sicherlich das Gegenteil von steril, man fühlt sich eher wie in einem Wohnzimmer.

Was haben die Hosen sonst noch am Münsterland geschätzt?

Für die Hosen war natürlich die Entfernung nach Düsseldorf ideal: Man konnte nach Hause fahren, wenn man wollte, musste es aber nicht unbedingt. Die Bands können während der Zeit auch bei uns in Gästezimmern wohnen. Wenn man in einem Stadtstudio arbeitet, wie die Hosen es wohl früher gemacht haben, gibt es immer schnell mal etwas, was dazwischen kommt, dass zum Beispiel jemand auf einen Geburtstag muss und dann eine Stunde früher weg ist als die anderen. Bei uns sind die Musiker für den Moment, in dem sie an ihrer Platte arbeiten, ziemlich gut isoliert. Und das tut den meisten Produktionen einfach mal sehr gut.

Bei uns sind die Musiker für den Moment, in dem sie an ihrer Platte arbeiten, ziemlich gut isoliert. Und das tut den meisten Produktionen einfach mal sehr gut.

Wie haben sich die Hosen in ihrer Studioarbeit von anderen Bands unterschieden?

Wir haben in unseren Studios überall offenes WLAN. Das ist auf den ersten Blick sehr praktisch, für manche Bands aber auch ein Problem. Wir hatten neulich mit Musikern zu tun, die fünf Laptops und neun Handys bei nur fünf Bandmitgliedern dabei hatten. Da ist normales Arbeiten nicht mehr möglich. Die Hosen sind hingegen sehr disziplinierte Arbeiter, die haben die Handys ausgeschaltet und die Klappen runtergeklappt. Das ist irgendwie noch alte Schule, die ziehen ihr Ding hochkonzentriert durch. Bei manchen Bands kommt da irgendwann schon mal der Spruch: „Ach, für die Fans reicht´s...“ Bei den Hosen habe ich das nie erlebt. Im Gegenteil: Die haben sich immer bis zum Ende ins Zeug gelegt, aus allem das Bestmögliche herauszuholen.

Bei manchen Bands kommt da irgendwann schon mal der Spruch: „Ach, für die Fans reicht's...“ Bei den Hosen habe ich das nie erlebt. Im Gegenteil: Die haben sich immer bis zum Ende ins Zeug gelegt, aus allem das Bestmögliche herauszuholen.

Wie lange waren die einzelnen Bandmitglieder bei Dir im Studio?

Vom war immer sehr schnell wieder weg, weil er immer sehr schnell arbeitet. Die anderen Hosen haben aber alle auch mal bei uns übernachtet, sogar mehr oder weniger durchgehend. Professionell wie sie nun einmal sind, hatten sie auch ihren Tourkoch mit dabei, der uns die ganze Zeit vorzüglich versorgt hat. Ich habe das als einen großen Luxus empfunden. Es war der Studioarbeit sicher sehr zuträglich, dass man zwei warme Mahlzeiten am Tag hatte. Was man aber auch sagen muss: So professionell so etwas klingt, so sympathisch läuft es ansonsten. Zum Ein- und Ausladen waren keine Handlanger dabei; die Band hat alles selbst geschleppt, auch die Verstärker. Das habe ich schon bei deutlich kleineren Bands ganz anders erlebt.

Zum Ein- und Ausladen waren keine Handlanger dabei; die Band hat alles selbst geschleppt, auch die Verstärker. Das habe ich schon bei deutlich kleineren Bands ganz anders erlebt.

Vincent Sorg bei der Arbeit, 2017

Foto Carla Meurer

Wie hast Du die Hosen in der Zeit betrachtet, bevor Du ihr Co-Produzent wurdest?

Ich war im Teenageralter – ungefähr zu der Zeit, als „Hier kommt Alex“ raus kam – großer Fan. Die erste Live-Platte, auf der „Disco in Moskau“ drauf war, hatte ich auf einem Mix-Tape und habe sie rauf und runter gehört. Dann ging meine musikalische Entwicklung aber in eine andere Richtung, ich habe zum Beispiel viel Queen gehört. Ein paar Jahre habe ich die Hosen nicht mehr so intensiv wahrgenommen, nur noch durch die Singles, vornehmlich sogar durch die Sauflieder. Ich habe sie aber immer als große Band wahrgenommen, mich selbst jedoch erst ab der „Zurück zum Glück“ wieder mit ihnen befasst.

Hast Du die Hosen zwischendurch mal live erlebt?

Ich bin 2004 mit den H-Blockx zum „Novodrom“-Festival gefahren, in der Nähe von Wien. Die hatten für ein Jahr keinen Monitortechniker und da bin ich öfter mal eingesprungen. Bei dem Festival haben auch die Toten Hosen gespielt – und ich habe mich sehr nett mit Kathleen unterhalten, der Gitarren-Backlinerin von Breiti. Wir haben uns ein bisschen lustig gemacht über die ganzen amerikanischen Tourmanager, die immer den dicken Max machen, obwohl nicht viel dahinter ist. Wir fanden es sehr lustig, wie wichtig sich die Crew um die Red Hot Chili Peppers genommen hat, wie alles abgesperrt wurde. Da habe ich die Hosen zum ersten Mal live gesehen. Und es herrschte ähnlich gute Stimmung wie bei „Rock am Ring“, das Festival war auch ähnlich groß.

Live ist das ein ganz undankbarer Job!

Wäre es denn eine Option für Dich, als Soundmann auf Tour zu gehen?

Überhaupt nicht. Live ist das ein ganz undankbarer Job. Ich beneide keinen, der sich verantwortlich um den Monitorsound kümmern muss. Es ist manchmal ganz schräg, wie die Musiker den Sound haben wollen. Die werden dann auch ganz schnell sauer, wenn das nicht sofort funktioniert. Man säße da also die ganze Zeit auf einem heißen Stuhl. Die klassischen Sprüche von Musikern auf der Bühne lauten ja meistens: „Ich höre mich nicht.“, „Kannst Du mich mal lauter machen?“ oder „Der Sound ist heute so scheiße!“ Studio ist einfach eher mein Ding, weil man da alles schon eher so machen kann, wie man auch selbst möchte. Zur Not kann man im Studio mehrere Anläufe nehmen – und das ist bei der Platte auch passiert.

Wie lief das, wenn Ihr länger gefrickelt habt?

Manche Songs wurden von den Hosen zwei- oder dreimal aufgenommen, bis man die perfekte Version gefunden hatte.

Manche Songs wurden von den Hosen zwei- oder dreimal aufgenommen, bis man die perfekte Version gefunden hatte. Die Band hat also auch hier viel Aufwand betrieben. Andere Bands haben da normalerweise gar keine Lust mehr zu. Wenn es beim ersten Mal nicht sitzt, schmeißen die den Song weg. Nicht bei den Hosen – da wird alles durchgezogen, bis ein Stück gut ist.

In welchem Zeitraum wurde „In aller Stille“ aufgenommen?

Das erste Kennenlernen fand im August 2007 statt, an fünf Tagen. Das war eine Art Testsession, ob die Hosen etwas mit meiner Person anfangen können und ob ihnen das Studio gefällt. Es waren zufällig die heißesten Tage des Jahres, es war entsetzlich heiß! Wir hatten im Studio fast 40 Grad, was schon sehr anstrengend war. Ich war mir hinterher auch gar nicht ganz sicher, ob ihnen das gefallen hat. Ich habe dann auch erstmal ein halbes Jahr nichts mehr von ihnen gehört, war mir überhaupt nicht sicher, ob aus der Nummer noch etwas wird. Dann kam aber doch wieder eine Anfrage für Anfang 2008, um noch einmal Demos aufzunehmen. Am Ende der Session haben sie Nägel mit Köpfen gemacht und mich gefragt, ob das Studio im Frühjahr/Sommer frei wäre, um das ganze Album aufzunehmen. Das haben wir dann in mehreren Etappen gemacht. Arbeitszeit: knappe drei Monate.

Was war das für ein Moment, als sie Dich gefragt haben? Immerhin bist Du erst der zweite Produzent in 26 Jahren Bandgeschichte…

Komischerweise war der Moment verhältnismäßig unspektakulär, man stellt sich das vorher immer spannender vor, als es dann tatsächlich ist. Das ist bei mir irgendwie immer so, ob das meine erste Goldene Schallplatte oder die erste Nummer eins war, übrigens jeweils mit In Extremo. Ich habe es jedenfalls als Bestätigung für meine Arbeit genommen. Und es hat mich natürlich extrem gefreut. Offenbar hatte ich bei den Testsessions nicht total daneben gelegen…

War es eine Belastung, dass Du auf jemanden folgtest, mit dem die Hosen so lange zusammengearbeitet haben?

Das wurde vorher gar nicht thematisiert. Ich hatte auch keine schlaflosen Nächte deswegen. Die Fußstapfen, in die man da tritt, sind aber schon sehr groß. Jon hat mit den Hosen Platten produziert, die Klassiker geworden sind. Daran gibt es auch nichts zu rütteln. Letztendlich kommt es aber auch darauf an, wie eine Band funktioniert, wie viel Einfluss man als Produzent hat. Die Toten Hosen als solches sind natürlich ein extrem verschworener Haufen. Es ist nicht so, dass man da eine Platte komplett auf links krempeln könnte und die Band würde das mitmachen. Es gibt durchaus Bands, bei denen man so viel Einfluss hat, dass man die Produktion fast alleine macht und die Band nur noch ein bisschen spielt. Das ist bei den Toten Hosen natürlich nicht der Fall.

Foto Carla Meurer

"Es ist nicht so, dass man da eine Platte komplett auf links krempeln könnte und die Band würde das mitmachen."

Es gibt durchaus Bands, bei denen man so viel Einfluss hat, dass man die Produktion fast alleine macht und die Band nur noch ein bisschen spielt. Das ist bei den Toten Hosen natürlich nicht der Fall.

Welcher Punkt ist jetzt, kurz vor Erscheinen der Platte, erreicht?

Jetzt sind natürlich alle gespannt wie ein Flitzebogen, ob die Scheibe auch bei den Fans gut ankommt. Selbst wenn man immer etwas betriebsblind wird, habe ich momentan das Gefühl, dass es ein total kerniges Album geworden ist, schön kurz und nur Klopper drauf. Was vielleicht etwas neu ist für den Zuhörer draußen, speziell auch bei der ersten Single „Strom“, das ist eine neue Form von Wucht und Energie. Das hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass ich ein paar Sachen mit einbringen konnte. Beim Grundsound haben sie mich weitestgehend machen lassen. Ich habe dann einfach etwas angeboten, was für mich zur jetzigen Zeit bei den Toten Hosen passen müsste. Es gibt zum Beispiel jede Menge frische Gitarrenriffs, die direkt anspringen. Die Band ist ja auch nicht stehen geblieben, die hören sich alle auch neue Musik an und sind daran interessiert, nicht zu klingen wie vor 20 Jahren.

Strom, 2008

Wann war der Zeitpunkt, ab dem Du wusstest, dass es eine eher härtere Platte wird?

Ganz ehrlich: Genau fünf Minuten, bevor ich die fertige CD gebrannt habe. Bis zu dem Zeitpunkt wurde die Songauswahl wirklich noch gravierend geändert. Wir haben 25 Titel komplett fertig ausproduziert. Dann wurde sehr genau überlegt, wie wir das Album zusammenstellen, damit es möglichst gut wird. Kommt wieder ein Quatschsong drauf, den es natürlich auch gab? Oder tun wir den jetzt einmal nicht mit drauf? Zuerst waren dann jede Menge schwermütige Songs drauf, mit schweren Themen. Doch als man sich das durchgehört hat, wurde man nicht gerade euphorisiert, um es vorsichtig zu sagen. Ich bin mit der jetzigen Zusammenstellung sehr zufrieden. Die ersten vier, fünf Songs rauschen bretthart an einem vorbei – und man wird überfahren wie von einem Zug. So etwas finde ich persönlich immer gut. Und mit 43 Minuten ist es richtig knackig geworden. Ich habe lieber ein kurzes Album, das ich sofort nochmal durchhören will, als ein längeres, bei dem man sich durch die letzten 20 Minuten quält.

Ein interessanter Entstehungsprozess, speziell auf den letzten Metern, den viele Fans bestimmt so nicht eingeschätzt hätten…

Der normale Mensch geht davon aus, dass die Aufnahmen für ein Album so lange dauern, wie das Album hinterher lang ist. 43 Minuten – da müsste doch jetzt ein Vormittag reichen. So ist vielleicht die erste Hosen-Platte entstanden; heute ist das alles natürlich viel aufwändiger. Mit welcher Akribie heutzutage Platten aufgenommen werden, das können sich viele gar nicht vorstellen, also dass man drei bis vier Tage intensiv und hart an einem Stück arbeitet, bis es so klingt, wie man das gerne hätte. Ein wahnsinnig großer Aufwand, obwohl die Toten Hosen viele Sachen zusammen einspielen. Heute wird ja viel nacheinander eingespielt, bei den Hosen aber Schlagzeug, Gitarre und Bass immer erstmal zusammen. Wenn man bessere Ideen hat, wird dann manches davon wieder ausgetauscht. Es wird bei den Hosen aber auch sehr effizient gearbeitet; die trödeln im Studio bestimmt nicht herum.

Es wird bei den Hosen aber auch sehr effizient gearbeitet; die trödeln im Studio bestimmt nicht herum.

Wie waren die Aufgaben innerhalb der Band verteilt?

Kuddel ist derjenige, der im Studio am meisten am Start ist, der eigentlich meistens als Erster kommt und als Letzter geht. Der hat da von allen auch am meisten Spaß daran. Das Gegenteil ist Vom. Der spielt total gerne Schlagzeug, der spielt total gerne live, aber im Studio versucht er immer, ganz schnell mit seinen Drum-Takes fertig zu sein. Ich dachte zuerst, dass das mit mir oder der Umgebung zu tun hatte, dann hat mir aber die Band versichert, dass das einfach „typisch Vom“ ist. Die anderen Bandkollegen sind immer anwesend, immer interessiert und fällen auch immer alle Entscheidungen zusammen, was es auch nicht immer einfacher macht (lacht). Campino ist für die Texte zuständig, das ist sein Metier. Über die Musik wird aber demokratisch entschieden.

Wie lief die Songabnahme?

Wenn ich den vier Toten Hosen – Vom hat sich wie gesagt meistens rausgehalten – meine neuesten Mixe vorgestellt habe, war es für mich immer total spannend, darauf zu wetten, wer jetzt welchen Part super oder scheiße findet. Bei vier Leuten, die alle eine ausgeprägte Meinung hatten, war es schon sehr schwierig, immer auf den Punkt zu kommen. Letztendlich waren es aber meistens kleine Änderungen und hinterher waren doch alle zufrieden.

Was ist Dein Lieblingssong auf „In aller Stille“?

Als Tontechniker bin ich da etwas befangen und sage deshalb:

„Angst“

Einfach weil der super klingt. Der hat die brachiale Power bekommen, die ich mir gewünscht habe.

Als Tontechniker bin ich da etwas befangen und sage deshalb: „Angst“. Einfach weil der super klingt. Der hat die brachiale Power bekommen, die ich mir gewünscht habe. Da sind immer wieder Stellen, bei denen man sagen kann: Das ist jetzt aber fett! Ansonsten mag ich „Disco“ sehr gerne, auch wenn der etwas polarisiert. Der fällt ein wenig raus, ist – wenn man das überhaupt so sagen kann – die Spaßnummer auf der Platte, aber sicher nicht albern. Ich finde mich in dem Text irgendwie wieder: „Die Tänzer tanzen und die Steher stehen“. Beim Einsingen habe ich mich sehr amüsiert. Ja, wir haben wirklich viel gelacht bei der Entstehung dieses Songs!

Ungewöhnlich für eine Hosen-Platte ist das Duett von Campino mit Birgit Minichmayr. Wie habt Ihr das aufgenommen?

Bei dem Stück hat Hans Steingen, der Co-Produzent, sehr viel gemacht. Im Prinzip haben wir nur noch das ganze Drumherum aufgenommen, hauptsächlich natürlich die Stimmen. Birgit war dann einen Tag bei uns und hat das zusammen mit Campino eingesungen. Es ist natürlich ein Lied, das sehr heraus fällt, für die Toten Hosen sogar ein absolutes Novum ist. Ich könnte mir vorstellen, dass das ein Stück ist, das große Wellen schlagen wird. Den Song würde man nicht sofort mit den Toten Hosen assoziieren, wenn Campino den nicht singen würde. „Auflösen“ ist der Kontrast zu dem ganzen Abgemeter, genauso wie „Tauschen gegen Dich“. Einerseits erkennt man, dass die Hosen auch mit Mitte 40 noch rocken können, andererseits zeigen sie auf der Platte auch eine etwas zartere Seite.

Auflösen, 2009

Ein wichtiges Utensil bei der Studioarbeit sollen für Dich die Ohrenstöpsel gewesen sein…

Bei den ersten Sessions hat Campino jedes Stück dreimal gesungen. Dann ist er zu mir rübergekommen, wir haben uns die verschiedenen Takes zusammen angehört und daraus haben wir den besten Gesamttake zusammengestellt. Bei Campino haben die vielen Konzerte natürlich Spuren hinterlassen. Deshalb hat er sich gewünscht, dass wir uns diesen Gesang relativ laut anhören. Es war wirklich sehr laut! So laut, dass ich mit Schmerzen da gesessen habe. Ich habe das ihm zuliebe zuerst mitgemacht, bin dann aber direkt am nächsten Montag in den Hörgeräteladen gegangen und habe mir angepasste Ohrstöpsel machen lassen. Ich habe mir damals gedacht: Wenn die nochmal wiederkommen, musst du vorbereitet sein! Für die Qualität der Aufnahme ist das nicht kritisch, weil diese Ohrstöpsel alles nur ein bisschen dämpfen. Als Produzent, der von seinem Gehör lebt, muss man halt vernünftig sein. Rock´n´Roll geht da nur bis zu einem gewissen Punkt…

Es war wirklich sehr laut! So laut, dass ich mit Schmerzen da gesessen habe. Ich habe das ihm zuliebe zuerst mitgemacht, bin dann aber direkt am nächsten Montag in den Hörgeräteladen gegangen und habe mir angepasste Ohrstöpsel machen lassen. Ich habe mir damals gedacht: Wenn die nochmal wiederkommen, musst du vorbereitet sein!

Für die Qualität der Aufnahme ist das nicht kritisch, weil diese Ohrstöpsel alles nur ein bisschen dämpfen. Als Produzent, der von seinem Gehör lebt, muss man halt vernünftig sein. Rock´n´Roll geht da nur bis zu einem gewissen Punkt…

Was war ein einschneidendes Erlebnis während der gemeinsamen Tage?

Die Produktion war eigentlich extrem unspektakulär. Die Jungs haben hochkonzentriert gearbeitet und sich nicht einmal in die Wolle gekriegt. Es war alles sehr entspannt und sehr zielorientiert. Einmal gab es aber einen besonderen, einen euphorischen Moment, als „Strom“, „Disco“ und „Innen alles neu“ entstanden sind. Das war ein richtiger Block, in dem die Hosen hintereinander richtig gute Songs angeliefert haben. Diese euphorische Stimmung hat wohl auch die Leute zu Hause in Düsseldorf ergriffen. Jeder wusste, dass man auf dem richtigen Weg war. Das geschah alles bereits während der zweiten Session und die Stücke sind auch nahezu unverändert geblieben. Bei „Strom“ und „Disco“ sind es zum Beispiel sogar noch die Schlagzeugtakes vom Demo. Es hat einfach alles gepasst.

Vincent Sorg & Kuddel, 2008

Wusstest Du jeweils vorher, wer aus der Band welchen Song geschrieben hatte?

Nein, und zwar ganz bewusst nicht. Ich sehe es als meine Aufgabe, möglichst objektiv zu beurteilen, ob es sich um ein gutes Stück handelt: Ist die Textzeile gut, passt der Übergang? Da darf es dann keine Rolle spielen, ob jetzt ein Bandmitglied vielleicht nur noch ein Stück im Rennen hat. Dann hätte man vielleicht Mitleid und würde nicht sagen, was man wirklich sagen will. Ich habe das also nie jemanden gefragt und weiß es auch eigentlich bis jetzt nicht. Ich werde das dann wie alle anderen hinterher auf der Platte nachlesen können.

Habt Ihr auch irgendeinen Song gemeinsam abgesägt?

Ja, doch auch mehrere (lacht). Die Hosen reden ja immer viel in Fußball-Metaphern. Wir hörten uns dann den einen oder anderen Song an, Campino stellte irgendwann leiser, drehte sich zu den anderen um, schüttelte den Kopf und sagte: „Weit vorbei geschossen“. Oder alternativ: „Knapp vorbei geschossen“. Ich wusste dann immer, dass es der Song in der Runde nicht geschafft hat. Manche Stücke haben sich dann aber „nochmal berappelt“ oder es wurde ein zweiter Anlauf unternommen. Natürlich gab es auch dafür eine Fußball-Metapher, nämlich: „Der hat es von der Ersatzbank wieder in die Stammelf geschafft.“ Das hat sich während der Produktion ständig verändert. Stücke, die man schon gar nicht mehr auf dem Schirm hatte, etwas aus der allerersten Session, waren plötzlich wieder dabei.

Hat Campino im Studio noch an den Stücken gefeilt?

Während der ersten Sessions hat er teilweise auch noch bei mir an Texten geschrieben. Beim Aufnehmen sind das dann aber nur noch minimale Korrekturen, die man vornimmt, sei es grammatikalisch oder einzelne Wörtchen. Ich würde eher sagen, dass er die Texte im Studio ins Reine geschrieben hat, ganz neu geschrieben wurde da sicher nichts. Er kam aber schon mal an und sagte: „Ich habe heute noch ein bisschen Arbeit, ich fummel mich erstmal durch.“ Ich beneide ihn auch gar nicht um das Texteschreiben; auf Deutsch ist das extrem anspruchsvoll. Speziell die Hosen-Fans achten sehr genau darauf, was da an Inhalten transportiert wird. Für den Erfolg der Band ausschlaggebend sind ja oft gar nicht die plakativen Singles, sondern genau die anderen Songs, die mehr Tiefe haben.

Wie geht die Zusammenarbeit für Dich weiter?

Ich habe jetzt gerade auch noch die Live-DVD „Rock am Ring 2008“ gemischt. Bei vielen Bands ist es üblichen, da nochmal etwas abzuändern, zum Beispiel eine Gitarre auszutauschen. Da stehen die Hosen aber drüber, obwohl sie sich bei einem Stück echt verhackt haben. Wir haben hier im Studio viel gelacht, weil wir versucht haben rauszukriegen, wer die Nummer jetzt wirklich verkackt hat. Es war wohl eine Kaskade von Ereignissen, irgendwann nach dem Mittelteil von „Kauf Mich“. Ich verrate jetzt mal nicht, wer das ausgelöst hat. Es wurde bandintern auch nicht wirklich Einigkeit darüber erzielt. Der Fehler ist auf jeden Fall auf der DVD voll zu hören. Die Band rennt sozusagen in einen Fehler und zieht ihn bis zum Ende des Songs durch. Dass sie das auf der DVD unverändert gelassen haben, zeigt für mich wahre Größe.

Wie hast Du „Rock am Ring“ selbst erlebt?

Die Stimmung war phänomenal. Ich habe während des Konzerts im Ü-Wagen gesessen und bei dem Sound assistiert, der bei MTV gesendet wurde. Besser hätte der Auftritt nicht laufen können. Die Leute bis ganz hinten, bis zum Horizont, haben unglaublich abgefeiert; das war schon sehr beeindruckend. Ich hatte nur ein bisschen Schiss, dass Campino von diesem blöden Dach herunterfällt, auf das er raufgeklettert ist. Ich habe gedacht: Er hätte wenigstens warten können, bis die Platte fertig ist. Das kann er mir doch nicht antun, dass ich da hinterher mit einer halben Tote-Hosen-Platte stehe. Zum Glück ist ja alles gut gegangen…

Was steht als nächstes Projekt für Dich an?

Bei der „Machmalauter“-Tour im November/Dezember werde ich mitfahren und mich als „Beisitzer“ darum kümmern, dass der Live-Sound auf den USB-Sticks, die man nach jedem Konzert kaufen kann, anständig ist. Das wird für mich also ein ganz entspannter Urlaub. Ich habe im Studio jetzt ein Jahr durchgearbeitet. Da tut es jetzt schon ganz gut, mal wieder raus an die Sonne zu kommen. Die scheint ja bei uns im Münsterland eher selten (lacht).